Sonntag, 18. September 2016

Futterhilfe für Namibias Geier

Als meine Eltern von ihrer Namibia-Safari zurückkamen, gab es leider diesmal kaum Geier-Begegnungen zu verzeichnen. Allerdings hatten Besitzer einer Lodge davon berichtet, dass ihnen ein Oryx in den Pool gefallen und ertrunken ist. Um die hungrigen Geier Namibias zu unterstützen, legten sie das tote Oryx aus. Schon bald sammelten sich einige Geier um den Kadaver und das Wasser lief ihnen im Schnabel zusammen. Allerdings fingen sie nicht an zu fressen, sondern warteten stundenlang neben dem Kadaver, nur um dann hungrig wieder heimzufliegen. Praktischerweise erinnerte sich meine Mutter an einen Hinweis, den ich ihr vor Abreise noch schnell erzählt hatte: Falls irgendwo ein aufgeblähter Kadaver herumliegt und hungrige Geier drum herum sitzen ohne zu fressen, dann bitte den Kadaver aufschlitzen!
Wisst ihr auch warum? Ganz einfach: Es handelt sich bei den hungrigen Geiern sehr wahrscheinlich um Weißrückengeier - den Gänsegeiern sehr ähnlich - die mit ihrem relativ schwachen Schnabel die Haut von Kadavern nicht aufreißen können. In der freien Natur fallen Kadaver häufig an, wenn Raubtiere jagen. Ihre Beutetiere haben dann große Verletzungen und ihre Haut ist aufgerissen, weil die Raubtiere sich den Wanst vollgeschlagen haben. Durch diese Öffnungen können Geier mit schwächeren Schnäbeln ans leckere Fleisch gelangen. In Namibia gibt es zwar auch Ohrengeier, die einen sehr kräftigen Schnabel haben, aber ihre Population ist leider nicht besonders groß. Sie könnten allerdings die Haut eines Oryx aufreißen und damit auch ihren Weißrückengeier-Kollegen den Zugang zum Aas erleichtern. Die kleinen Geierarten wie Schmutzgeier und Kappengeier haben übrigens so kleine Schnäbel, dass es nur für Aasfetzen reicht, die andere Geier übrig lassen. Bartgeier verzichten sogar fast vollständig auf Fleisch und ernähren sich zu 95 % nur von Knochen. So hat jeder Geier seine eigenen Fähigkeiten und Vorlieben am Aas.
Meine Mutter hat den Lodge-Besitzern netterweise den Zusammenhang erklärt und diese konnten es gut nachvollziehen. Ihnen taten die hungrigen Geier ja selber leid, die das Aas erst am nächsten Tag fressen konnten, nachdem nachts der Schakal kam und das Aas angekaut hatte. Beim nächsten Mal werden sie mit Sicherheit das Aas Geier-gerecht vorbereiten.
Das Oryx war gerade erst gestorben und daher in der Hitze noch nicht aufgebläht. Aber sollte dies doch einmal der Fall sein, dann ist es ein klares Zeichen, dass das Aas keine Angriffsfläche für Geier bietet. Daher bitte mit einem Messer die zähe Tierhaut einschneiden. Es kostet gerade bei aufgeblähten Kadavern viel Überwindung, aber das einzige, was bisher in meiner langjährigen Aaszubereitungserfahrung explodiert ist, war mein Geruchssinn, wenn ich nicht lang genug die Luft anhalten konnte ;-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen